Zwischen Kunst und Musik

Während Jazz Ascona sein 40-jähriges Bestehen feiert, ist die Kunst- und Kulturszene so lebendig wie nie zuvor. Ist dies eine Rückkehr zu den glorreichen 20er Jahren?

Wenn man durch die Altstadt von Ascona spaziert, spricht alles von Kunst und Musik: Man spürt ein Erbe, das in diesen Gassen seit den Zeiten von Jawlensky, Kandinsky, Walter Gropius, Ida Hoffmann, Max Ettinger lebendig ist, durch alle Jahre hindurch bis zu den Stars der Settimane Musicali und des Jazz-Festivals. Genau in diesem Jahr feiert JazzAscona ein bedeutendes Jubiläum – 40 Jahre – und beweist mit den Dimensionen, dass es die durch die Pandemie erzwungene Pause unbeschadet oder sogar mit neuer Energie überwunden hat. «Es gab eine Rückkehr zu den Ursprüngen», erklärt der Präsident Guido Casparis, «denn nach 2020 wurde der freie Eintritt wieder eingeführt wie in den ersten zwanzig Jahren, seit 1984. Dadurch konnte das Publikum erweitert und diversifiziert werden, was Geschäfte und Hotels erfreute und dementsprechend zu einem Ausgleich der fehlenden Einnahmen durch den Kartenverkauf führte.» Heute hat sich der Haushalt stabilisiert, was vor allem der Gemeinde und dem Fremdenverkehrsverein des Locarnese OTLMV zu verdanken ist. «Aber es ist nicht nur eine finanzielle Frage», führt der Präsident weiter aus, «in diesen Jahren ist eine wahre kulturelle Aufbruchstimmung bei JazzAscona zu spüren, angefangen bei der jungen Partnerschaft mit der Stadt New Orleans, die die gesamte Kultur fördern will: künstlerisch, sportlich, sogar kulinarisch.» Als Beweis für diesen allumfassenden künstlerischen Strom «kleidet» sich die Altstadt zum 40. Geburtstag des Festivals mit den Gigantografien von Künstlern, die die ersten 40 Jahre von JazzAscona prägten: eine grosse Open-Air- Ausstellung an den Fassaden ab Ende März.

Die "Lupa" von Ascona: Künstlerische Ikone und treibende Kraft der kulturellen Erneuerung.

Aber Musik in Ascona hat noch mehr Aspekte: Wenn man durch die Altstadt spaziert, trifft man nicht selten auf eine originelle Künstlerfigur mit knallbunten Kleidern und Hüten. Dies ist die Sängerin und Schauspielerin «La Lupa», mit bürgerlichem Namen Maryli Maura Herz-Marconi, die in Onsernone geboren und zu einem Aushängeschild für die Zürcher Theaterkultur (und Gegenkultur) geworden ist. La Lupa findet ihre Bewunderer in Ascona, und sie reizt dieser Ort, weil «hier der Berührungspunkt zwischen den südlichen Voralpen und der mediterranen Welt ist. Bis zu den 50er Jahren wimmelte es hier von Künstlern: Jetzt beginnt sich wieder etwas zu bewegen, und das ist auch für meine Freunde aus Zürich und der ganzen Welt interessant». Sie spielt auch auf Initiativen einzelner Bürgerinnen und Bürger an, kleine lokale «Antennen», denen das Streben nach dem Schönen gemeinsam ist. Wie Christoph Schoop, Besitzer der Kunstgalerie Sacchetti, die seit Ende März zum CCAA – «Zentrum für Kunst und Kultur in Ascona» geworden ist. Schoop ist Bauunternehmer und lebt zwischen Ascona und mehreren Schweizer Städten; bei dieser stetigen Unrast ist seine Passion, die Kreativität der Vergangenheit wieder hierherzubringen: «Wir haben diese Galerie übernommen, deren Besucher ich seit der ersten Stunde war, und wollen ihre Initiativen ausdehnen und sie zu einem Zentrum für die Kulturproduktion machen». Also sind Kunstausstellungen, Konzerte, Konferenzen, Aufführungen geplant, auch im Garten, an dem ein Bistro liegt (und in dem ein monumentaler Holztisch aus dem Kloster Einsiedeln steht). Der Ort ist wirklich malerisch und man kann ihn sich als ideale Bühne für Künstler vorstellen. «Wir wollen immer mehr junge Leute einbeziehen», setzt Schoop fort, «wir haben auch ein Sägewerk in Ponte Brolla erworben, wo wir Zimmer und Ateliers einrichten wollen, um jungen Künstlern Residenzen zu ermöglichen». La Lupa, Freundin und Unterstützerin des Gründers, ist voller Ideen angesichts dieses Mäzenatentums. «Man müsste die Kunstschulen einbeziehen, um den besten Studentinnen und Studenten den Aufenthalt in diesen Einrichtungen zu ermöglichen, vielleicht mit Stipendien. So entzieht man sie der Diktatur der Bildschirme, damit sie Malerei, Bildhauerei, Dichtung, das Schreiben wieder neu entdecken, denn diese Künste werden von der Übermacht des Digitalen bedroht.»

Enthusiasm for Ascona’s
artistic renaissance.

Eine weitere Anhängerin des künstlerischen Charmes von Ascona, Simona Pelloni, die in der Altstadt wohnt und ein B&B führt, schätzt diese ganze Lebendigkeit: «Es ist, als hätte Ascona jahrelang einen Niedergang erlebt und steige nun gerade nach der Covid-Pandemie wieder auf, als wir paradoxerweise von Touristen (vor allem Schweizern) überfüllt waren und das Städtchen sein grosses Potenzial unter Beweis stellte.» Auch weil das Programm – vom Jazz abgesehen – immer vielfältiger wird: «Neben einem so wichtigen Event ist es schön, dass Initiativen für die anderen Künste entstehen, so dass man ein Publikum mit verschiedenen Interessen ansprechen kann.» Schoop stellt abschliessend fest: «Viele von denen, die nach Ascona kommen, sind Rückkehrer, die sich als Kinder hier wohlgefühlt haben, mit ihren Familien in der Schönheit des Borgo.» Die Schönheit zu pflegen, ist die Mission dieser «Künstlergruppe», von denen jeder sich auf seine Weise dafür einsetzt, Ascona wieder zur Blüte und lebendiger denn je durch das Jahrhundert zu führen.